Faktencheck Palliativversorgung

76 Prozent der Deutschen möchten die letzten Lebenstage zu Hause verbringen. Doch fast die Hälfte stirbt im Krankenhaus und nur jeder Fünfte in den eigenen vier Wänden.  Der Faktencheck hat untersucht, warum Wunsch und Wirklichkeit auseinanderliegen.


Heterogene Versorgungsstrukturen in Deutschland

Schwerkranke und sterbende Menschen benötigen besondere Zuwendung, Versorgung und Pflege. Wie ein Mensch am Lebensende versorgt wird und ob seinem Wunsch entsprochen werden kann, hängt auch vom Wohnort ab. Bei den palliativmedizinischen Angebotsstrukturen zeigen sich nämlich erhebliche regionale Unterschiede – von Bundesland zu Bundesland, aber auch zwischen den 402 Stadt- und Landkreisen.

In den blau eingefärbten Regionen sterben weniger ältere Menschen im Krankenhaus als im Bundesdurchschnitt. Orange eingefärbte Städte und Kreise zeigen hingegen überdurchschnittliche hohe Sterbequoten im Krankenhaus.

Bedeutung des Krankenhauses als Sterbeort ist regional unterschiedlich

Während in Baden-Württemberg nur 41 Prozent und in Schleswig-Holstein 42 Prozent der älteren Menschen im Krankenhaus sterben, sind es in Nordrhein-Westfalen und Berlin 49 Prozent. Würde in ganz Deutschland die niedrigere Quote von Baden-Württemberg erreicht werden, so könnten jährlich 37.000 Menschen mehr ihre letzten Lebenstage zu Hause verbringen. Auf Kreisebene sind die Unterschiede noch deutlich größer. Die interaktiven Deutschland-Karten zeigen: Im Landkreis Freudenstadt in Baden-Württemberg sterben 33 Prozent der über 64-Jährigen im Krankenhaus, in Landshut in Bayern dagegen knapp 60 Prozent.

Versorgungsstrukturen haben großen Einfluss auf den Sterbeort

Die Anzahl der ambulant tätigen Ärzte, die sich auf Palliativmedizin spezialisiert haben, hat einen deutlichen Einfluss auf den Sterbeort: In Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wo es relativ viele ambulant arbeitende Palliativmediziner gibt, ist der Anteil der älteren Menschen, die im Krankenhaus sterben, besonders niedrig. Weiterhin besteht ein Zusammenhang zum Krankenhaustagevolumen und der Anzahl der durchgeführten palliativmedizinischen Behandlungen im Krankenhaus. Das bedeutet: In Regionen, in denen ältere Menschen häufiger und länger im Krankenhaus sind, ist die Krankenhaus-Sterbequote auch höher. Zudem verfehlt die Palliativbehandlung im Krankenhaus häufig ihr Ziel, Patienten nach Hause zu entlassen. Auch die Anzahl von Hospizen oder die Anzahl von Palliativstationen variiert regional stark. So liegt die Zahl der Betten bei Hospizen pro eine Million Einwohner bei zwölf in Bayern und 56 in Berlin, die der Betten auf Palliativstationen bei 19 in Berlin und 46 im Saarland. Daneben gibt es aber auch viele weiße Flecken auf der Landkarte: In gut einem Viertel aller Land- und Stadtkreise gibt es weder stationäre Hospize oder Palliativstationen noch besondere Einrichtungen für die ambulante Palliativversorgung.

Nur jeder dritte Sterbende erhält die notwendige Palliativversorgung

Zwar sind palliative Versorgungsangebote in den vergangenen 20 Jahren stark ausgebaut worden. Allerdings erhielten nur 2014 knapp 30 Prozent der Verstorbenen eine palliativmedizinische Behandlung. Dabei benötigen nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin bis zu 90 Prozent aller Menschen am Lebensende eine entsprechende Versorgung.

Wie der Faktencheck zeigt, möchten die meisten Menschen in ihrer gewohnten Umgebung sterben. Häufig scheitert dies jedoch daran, dass keine ambulante palliative Betreuung zur Verfügung steht. Ein Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung sollte daher vorrangig dem Grundsatz »ambulant vor stationär« folgen.

Patienten und Angehörige bevorzugen ambulante Versorgung

Im Rahmen des Faktenschecks wurde auch untersucht, welche Anforderungen an eine patientenorientierten Versorgung gestellt werden. Patienten und Angehörige erwarten eine zuverlässige, lückenlose und kompetente Versorgung möglichst  im gewohnten häuslichen Umfeld. Als Ansprechpartner bevorzugen sie dabei in der Regel den Hausarzt. Sie wünschen sich, dass er sie wie ein Lotse durch das Versorgungssystem führt. Diese Aufgabe kann nicht nur vom Hausarzt selbst, sondern auch von Praxismitarbeitern oder auch von einer Pflegekraft oder einem Palliativdienst wahrgenommen werden.

Prof. Schneider liefert einen Überblick über die Patientenerwartungen. Zwei Praxisbeispiele aus Westfalen-Lippe und Hessen zeigen unterschiedliche Ansätze zur Verbreitung der ambulanten palliativen Versorgung.

Infoseite zur Palliativversorgung

In Kooperation mit dem Internetportal Weisse Liste hat Faktencheck Gesundheit eine Infoseite für Betroffene und Angehörige eingerichtet. Diese bietet Wissenswertes rund um das Thema "Palliativversorgung".

Zur Infoseite Palliativversorgung

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