Faktencheck Regionale Unterschiede

Selbst in sehr leistungsstarken Gesundheitssystemen hängt eine angemessene medizinische Versorgung oftmals vom Wohnort ab. Das weist der „Faktencheck Gesundheit“ in der aktuellen Studie für Deutschland nach. Diese bestätigt viele Ergebnisse einer ersten Studie aus dem Jahr 2011.


Unterschiede in der OP-Häufigkeit rein medizinisch nicht erklärbar

Regionale Unterschiede gibt es vor allem bei der Entfernung der Mandeln, des Blinddarms, der Prostata oder beim Einsetzen eines Defibrillators am Herzen. Hier zeigen sich Unterschiede bis zum 8-fachen. Rein medizinisch sind derart hohe Abweichungen ebenso wenig zu erklären wie durch Alters- oder Geschlechtsstrukturen. 

Die Karten zeigen die Häufigkeit von Gallenblasenentfernungen im Zeitvergleich 2007-2009 (links) und 2010-2012 (rechts). Die ähnlichen Muster verdeutlichen, dass die OP-Raten über die Jahre sehr konstant geblieben sind. Blau eingefärbte Kreise weisen hohe Raten, orange eingefärbte Kreise niedrige Raten auf.

Große Unterschiede bleiben über Jahre bestehen

Die Ergebnisse beruhen auf einer Langzeituntersuchung. Seit 2007 beobachtet der „Faktencheck Gesundheit“ die Häufigkeit von Operationen in allen 402 deutschen Kreisen und kreisfreien Städten. So wurde festgestellt, dass das Ausmaß der regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands über die Jahre hinweg bei den einzelnen medizinischen Eingriffen nahezu gleich bleibt. Und es sind auch überwiegend dieselben Regionen, die besonders hohe oder niedrige OP-Raten aufweisen. Auf den interaktiven Deutschland-Karten ist abzulesen, dass in einigen kreisfreien Städten und Landkreisen wie Bad Kreuznach, Bremerhaven oder Delmenhorst seit Jahren acht Mal so vielen Kindern die Mandeln herausgenommen werden wie anderswo.

Ähnliche Ergebnisse auch in anderen Ländern zu beobachten

Auch beim Einsatz von künstlichen Kniegelenken, bei Kaiserschnittentbindungen oder Gebärmutterentfernungen unterscheidet sich die Operationshäufigkeit zwischen den Regionen um das Zwei- bis Dreifache. Eine Studie der OECD kommt für andere Länder, darunter Frankreich, Spanien und England, zu ganz ähnlichen Ergebnissen. 
Verantwortlich für die großen regionalen Unterschiede sind keineswegs nur wenige Ausreißer. Bei den Mandelentfernungen etwa liegen 73 der 402 deutschen Städte und Landkreise mit ihren OP-Raten um mehr als 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, 13 Kreise sogar über 80 Prozent. Das legt die Vermutung nahe, dass betroffene Kinder in fast jedem fünften Kreis überversorgt werden. Auffällig ist zudem, dass einige kreisfreie Städte und Landkreise gleich bei mehreren Eingriffen die deutschlandweit höchsten Operationsraten aufweisen. 

Fehlende Leitlinien vergrößern Gefahr von regionalen Unterschieden

Warum die Versorgungslage zwischen den Regionen so unterschiedlich ist, dazu gibt es aus der Forschung unterschiedliche Erklärungsansätze. Zum einen vergrößert das Fehlen klarer medizinischer Leitlinien die Gefahr von regionalen Unterschieden. Zum anderen sind Extremwerte in bestimmten Städten und Kreisen ein Indiz dafür, dass die ärztliche Haltung zur weiteren Vorgehensweise und ihre entsprechende Aufklärung gegenüber dem Patienten regional unterschiedlich wahrgenommen wird. 

Studie

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