Pressemeldung, 08.09.2016,
Weniger Operationsrisiken für Patienten in spezialisierten Krankenhäusern
In deutschen Krankenhäusern kommt es zu vermeidbaren Komplikationen und Todesfällen, weil viele Kliniken zu wenig Erfahrung mit planbaren Operationen haben. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die stärkere Spezialisierung von Krankenhäusern die Versorgungsqualität verbessert, ohne die Fahrzeiten für Patienten deutlich zu erhöhen.
In deutschen Krankenhäusern kommt es zu vermeidbaren Komplikationen und Todesfällen, weil viele Kliniken zu wenig Erfahrung mit planbaren Operationen haben. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die stärkere Spezialisierung von Krankenhäusern die Versorgungsqualität verbessert, ohne die Fahrzeiten für Patienten deutlich zu erhöhen.
Gütersloh, 8. September 2016. In Krankenhäusern, die bestimmte Eingriffe häufig ausführen, gibt es weniger Komplikationen und Todesfälle als in Kliniken, die deutlich geringere Fallzahlen aufweisen. Der aktuelle Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die stärkere Spezialisierung, beispielsweise bei Hüftoperationen oder Prostata-Entfernungen, die Versorgungsqualität in Deutschland verbessern könnte. Deutlich längere Fahrzeiten müssten die Patienten deshalb nicht in Kauf nehmen.Das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) hat im Auftrag der Bertelsmann Stiftung berechnet, dass in Deutschland pro Jahr rund 140 Todesfälle bei Hüftoperationen vermieden werden könnten, wenn die Operationen nur in Kliniken mit mehr als 176 Fällen durchgeführt werden. Die Realität sieht jedoch anders aus: Im Jahr 2014 wurden an 311 Kliniken weniger als 50 dieser Operationen erbracht. Auch bei Prostata-Entfernungen sind die Fallzahlen in etlichen Häusern gefährlich niedrig. Von den 414 deutschen Kliniken, die diese Operation vornehmen, machten dies 43 seltener als fünfmal im Jahr. Das Risiko des Eingriffs ist beträchtlich: Viele Männer leiden nach einer Prostata-Operation unter Impotenz und Inkontinenz.
Durchschnittliche Fahrzeit erhöht sich nur um zwei bis fünf Minuten
Die Befürchtung, dass Patienten, um solche Komplikationen zu vermeiden, längere Fahrzeiten zum nächstgelegenen spezialisierten Krankenhaus in Kauf nehmen müssen, bestätigt sich nicht. Berechnungen zeigen, dass sich für die meisten die durchschnittliche Fahrzeit nur um zwei bis fünf Minuten verlängert. Eine große und spezialisierte Fachabteilung für Hüftgelenks-Implantationen wäre beispielsweise in elf statt bisher neun Minuten zu erreichen. Bei einer Prostata-Entfernung würde die Fahrzeit zu einer spezialisierten Klinik durchschnittlich 20 statt bisher 15 Minuten betragen.
"Den Bürgern muss bewusst werden, dass sie bei planbaren Operationen in Fachabteilungen mit vielen Fällen und viel Erfahrung die bessere Versorgung bekommen", sagt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Die Patienten müssten die Möglichkeit haben zu entscheiden, ob ihnen niedrigere Komplikationsraten ein paar Minuten mehr Fahrzeit wert sind. "Vor allem in Ballungsräumen mit heute hoher Krankenhausdichte können Patienten die höhere Qualität durch Spezialisierung quasi ohne Fahrzeitenverlängerung bekommen", so Mohn.
Einführung von Mindestmengen sichert höhere Qualität
Die Wissenschaftler kommen in der Studie zu dem Ergebnis, dass die Einführung von verbindlichen Mindestmengen für die genannten Operationen einerseits eine höhere Qualität und mehr Sicherheit für die Patienten brächte. Andererseits dürfte sich die Zahl der Fachabteilungen in Krankenhäusern verringern, die diese Operationen durchführen. Eine stärkere Spezialisierung führe aber nicht zwangsläufig zu einem Kliniksterben. Es sei sogar möglich, Leistungen zum Beispiel durch Kooperationen von Häusern effizienter zu erbringen. Auch die Grund- und Notfallversorgung sei nicht betroffen, wenn die Spezialisierung auf planbare Eingriffe beschränkt werde. Für letztere seien viele Patienten auch heute schon bereit, weitere Wege in Kauf zu nehmen.
Die aktuelle Gesetzgebung biete durchaus Möglichkeiten, eine größere Spezialisierung zu realisieren. Allerdings müssten die für einige Operationen bestehenden Mindestmengen eingehalten und kontrolliert sowie die Regelungen auf weitere Krankheitsbilder ausgedehnt werden. Auch sollten beispielsweise die im Krankenhausstrukturgesetz festgeschriebenen Qualitätskriterien für die Krankenhausplanung der Länder verbindlich sein und konsequent umgesetzt werden.
Zusatzinformationen
Der "Faktencheck Gesundheit" zeigt die Folgen der Konzentration bestimmter Leistungen in spezialisierten Krankenhäusern auf. Dafür hat das Berliner IGES Institut in einer Simulation berechnet, wie sich die Bündelung von Leistungen auf die Fahrzeiten für Patienten und die Anzahl der Krankenhäuser bei fünf planbaren Operationen auswirkt: Einsatz von Hüftgelenken, Prostata-Entfernungen, Herz-Bypässe sowie klassische und minimalinvasive Herzklappen-Operationen.